Tag des Lärms – 28. April 2021 – Auswirkung von Lärmverschmutzung auf die Meeresumwelt
Den diesjährigen Internationalen Tag gegen Lärm (International Noise Awareness Day), möchte ich dazu nutzen, auf einen oft übersehenen Bereich hinzuweisen: die Lärmverschmutzung im Meer. Sie kann im schlimmsten Fall tödlich für die Meeresbewohner enden. Laut einer Umfrage des IFAW (International Fund for Animal Welfare) weiß nur eine von fünf Personen über dieses Problem Bescheid.
Wie Meerestiere kommunizieren am Beispiel der Cetacea (Wale)
Wir alle kennen Walgesänge – diese klingen nicht nur atemberaubend, sondern haben auch wichtige Funktionen (Wenn ich von Walen spreche, meine ich die Ordnung der Cetacea, die etwa 90 Arten (auch Delfine) umfasst). Aufgrund der Leichtigkeit, mit der sich Schall im Wasser ausbreitet, und der großen Fläche, über die Schall im Gegensatz zur Luft übertragen werden kann, entwickelten sich akustische Unterwassersignale zur hauptsächlichen Kommunikationsart.
Hier wird unterschieden zwischen nicht-vokaler und vokaler Kommunikation. Geräusche durch Kiefer/Schwanz/Kinnklatschen, Zähneknirschen, Blasenausstoß, Sprünge und Flossen, die auf die Wasseroberfläche schlagen, gehören zu der Gruppe der nicht-vokalen Kommunikation. Die bekannteste Art dieser Kommunikation sind wohl die spektakulären Luftsprünge (breaching). Ein Sprung erzeugt beim Wiedereintauchen Luft- und Unterwassergeräusche, die mehrere Kilometer weit zu hören sind. Über deren Funktion ist noch wenig bekannt, Hypothesen sind sexuelle Stimulation, Kommunikation von Nahrungsquellen oder eine Reaktion auf Verletzungen oder Irritationen.
Bei der vokalen Kommunikation sind Pottwale die absoluten Rekordhalter, sie können doppelt so laut wie ein Düsenjet werden (200 Dezibel). Generell kann man ihre Laute in drei Kategorien einteilen: tieffrequentiertes Stöhnen (20-200 Hz, 1-30 Sekunden lang), kurze Schläge oder Klopfen (unter 200 Hz, weniger als 1 Sekunde lang), sowie Zirpen und Pfeifen (1kHz, schnelles Wechseln der Frequenzen und weniger als 0,10 Sekunden lang). Vom Walgesang spricht man übrigens, da sich wiederholende Elemente und Phrasen verwendet werden. Die Lieder dauern bis zu 30 Minuten und ändern sich von Jahr zu Jahr an den jeweiligen Brutplätzen.
Weil sich Schallwellen im Wasser nur wenig abschwächen, sind sie über weite Entfernungen wahrnehmbar. So kann ein Blauwal Laute in bis zu 1600 km Entfernung hören. Neben den akustischen Lauten kommunizieren Wale übrigens auch über Berührung, Sehen, Riechen und Schmecken. Wer an diesem Thema sehr interessiert ist, sollte sich die Dokumentation ‚Blackfish‘ von Sea Shepherd anschauen.
Auswirkungen von Unterwasserlärm auf die Meeresbewohner
Wie bereits erklärt, ist Wasser ein guter Schallleiter, was sich viele Meeresbewohner über Jahrtausende zunutze gemacht haben. Wale und Delfine, aber auch Fischarten wie der Dorsch, Robben, Tintenfische, Krustentiere und Meeresschildkröten nutzen die Schallwellen, um zu kommunizieren, zu navigieren, Beute zu lokalisieren, Raubtiere zu vermeiden und Partner oder ihren Nachwuchs zu finden. Wenn diese Signale gestört werden, kann dies zu Verletzungen oder im schlimmsten Fall zum Tod des Tieres führen. Vor allem Schweinswale meiden Bereiche mit hohen Schallpegeln, wodurch sie wichtigen Lebensraum verlieren.
Es ist erwiesen, dass durch den menschengemachten Unterwasserlärm die Konzentrationsfähigkeit von Fischen gestört wird. In der Folge können sie geeignetes und schädliches Futter schlechter unterscheiden. Bereits Fischlarven nutzen Schall, um geschützte Riffe zu finden. Noch tragischer scheinen die Auswirkungen bei Kopffüßern wie Tintenfischen, deren Nervenfasern und feine Sinneszellen durch den Dauerlärm stark und permanent beschädigt werden können. Sie verlieren dann ihren Gleichgewichts- und Orientierungssinn und können nicht mehr jagen. Eine Studie der Universität Bristol fand zudem heraus, dass selbst Strandkrabben gestresst auf Schiffslärm reagieren.
Zusammen mit anderen Belastungen wie der Versauerung und Überfischung bedroht Lärm also die Artenvielfalt der Ozeane. Die Ozeane werden auch die Lebensquelle der Welt genannt. Sie regulieren den Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre, produzieren zwei Drittel unseres Sauerstoffs und ihre Bewohner sind Bestandteile zahlreicher Nahrungsketten, auch für Landbewohner haben tote Zonen im Ozean katastrophale Folgen.
Ursachen von Unterwasserlärm und wirksame Maßnahmen
Die Hauptquelle für Unterwasserlärm ist die kommerzielle Schifffahrt; dazu kommen seismische Untersuchungen, Ölexploration und militärisches Sonar. Der Lärm entsteht durch die Motorengeräusche, aber auch die Kavitation. In schnell strömenden Flüssigkeiten kann der Druck der strömenden Flüssigkeit so stark sinken, dass ihr Dampfdruck unterschritten wird, dadurch bilden sich Gasbläschen. Sinkt die Geschwindigkeit der Flüssigkeit wieder, so steigt ihr Druck, die Gasbläschen implodieren und erzeugen ohrenbetäubenden Lärm. Anders als CO2-Emissionen oder Schwefeldioxidbildung wird dieses Problem auch mit Batterien oder alternativen Kraftstoffen nicht gelöst. Daher müssen wir jetzt Maßnahmen entwickeln, um die Auswirkungen zu minimieren. So sollte die Begrenzung oder der Ausgleich von Unterwasserschallemissionen frühzeitig bei der Planung des Einsatzes der entsprechenden Technologie oder industriellen Aktivität (z. B. Schifffahrtskorridore, Windparks) berücksichtigt werden. Die Entwicklung von räumlichen und zeitlichen Kalendern wird von einigen Experten empfohlen. Schutzgebiete bieten dahingegen keine wirkliche Lösung, da Unterwasserschall sich natürlich nicht an die Grenzen der Schutzgebiete hält.
Eine der einfachsten wie erfolgversprechendsten Maßnahmen wäre die Einführung einer Geschwindigkeitsbeschränkung für Schiffe. Das würde den Meereslärm reduzieren, den Ausstoß von Treibhausgasen verringern und so zur Erreichung der Pariser Klimaziele beitragen (falls euch das Thema Emissionen und Schifffahrt interessiert, empfehle ich euch diesen Homepageartikel).
Unterwasserlärm in EU und internationaler Gesetzgebung
Unterwasserlärm kommt in der EU-Gesetzgebung bislang kaum vor. Mittlerweile sind einige Unterwasserlärmkarten verfügbar, Zustandsbewertungen jedoch sind sehr rar. Die europäische Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie legt zumindest Kriterien für einen „guten Umweltzustand“ fest. Im Kern sollen die „Nutzungs- und Betätigungsmöglichkeiten“ der Meeresumwelt auch den zukünftigen Generationen erhalten bleiben. Darunter fällt auch ausdrücklich, dass menschenverursachter Lärm keinen Verschmutzungseffekt haben darf (Art. 3 (5) b) und sich nicht negativ auf die Meeresumwelt auswirkt (Annex I (11)). Letztes Jahr (2020) hat ein Bericht des europäischen Rechnungshofs kritisiert, dass der EU-Schutz für Meeresumwelt zwar weit gefasst, aber zu unkonkret ist. Wir benötigen eine bessere Datenlage, um überhaupt Grenzwerte für den Unterwasserlärm einführen zu können.
Die Internationale Schifffahrtsorganisation (IMO) hat in 2014 Richtlinien verabschiedet, die den Unterwasserlärm von Propeller, Rumpfform und Maschinen an Bord reduzieren sollen. Allerdings kann die IMO keine bindenden Gesetze verabschieden.
Der Hafen in Vancouver, Kanada, hat hier eine tolle Vorreiterrolle eingenommen und im Dezember 2020 einen Unterwasserlärm-Managementplan veröffentlicht. Schiffe, die ihre Lärmbelastung reduziert haben, erhalten eine Ermäßigung bei den Hafengebühren. Vancouver wollte mit der Maßnahme vor allem die gefährdeten Wale schützen. Diese Idee könnte relativ leicht auch von den EU-Mitgliedsstaaten umgesetzt werden.
Zudem: Wir sehen, dass Bürgerinnen und Bürger immer stärker an Umwelt- und Naturschutzauswirkungen ihres Konsums interessiert sind. Kann ein Unternehmen darauf hinweisen, dass es beim Transport seiner Waren nicht nur auf Klimafreundlichkeit achtet, sondern auch die Meeresökologie durch die Wahl leiser Schiffe schont, wäre das ein weiterer Schritt zu einer stärker gemeinwohlorientierten Wirtschaft.