Spezies der Woche #95 – Atlantischer Nordkaper
Der Atlantische Nordkaper ist ein bis zu 18 m langer, langsam schwimmender Bartenwal. Sein gemütliches Treiben an der Oberfläche, seine dicke Fett- und Ölschicht und der Umstand, dass getötete Tiere nicht untergehen, haben ihm im Englischen den Namen „right whale„, der RICHTIGE Wal, eingebracht. Denn für die Walfänger war er die lukrativste und am leichtesten zu erlegende Beute.
Verbreitungsstatus in Europa | Vom Aussterben bedroht |
Restvorkommen | Atlantik |
Letzte Sichtung in Europa | aktuell |
Lebensraum | Atlantische Meeresküste |
Gefährdung | Schiffsunfälle, Beifang, Klimawandel |
Trotz ihrer kräftigen Statur sind die Nordkaper überraschend akrobatisch. Sie springen häufig aus dem Wasser und schlagen mit ihren Brustflossen auf die Wasseroberfläche. Beim Ausatmen erzeugen sie aus den beiden Blaslöchern eine charakteristische V-förmige Fontäne. Atlantische Nordkaper sind von rundlicher Statur und meist schwarz. Sie haben keine Rückenflosse; ihre paddelförmigen Brustflossen sind sehr breit. Der riesige Kopf macht bis zu einem Viertel der Körperlänge aus. Im langen gebogenen Maul befinden sich hunderte von bis zu drei Meter langen Bartenplatten. Auffälligstes Kennzeichen sind die verhornten Schwielen an der Oberseite des Kopfes. An der Form dieser Schwielen lassen sich die Wale individuell erkennen. Da die Schwielen schon bei Kälbern auftreten, geht man von einem genetischen Ursprung aus.
Als Blubber wird eine Fettschicht in der Unterhaut von Walen und Robben bezeichnet. Sie ist ein Ersatz für das Haarkleid und dient zur Wärmeisolierung sowie als Energiereserve. Der Blubber des Nordkaper ist mit bis zu 36 Zentimeter sehr dick und macht ca. 40 % des Gesamtgewichts aus. Diese dicke Fettschicht hat ihn leider aber auch zur bedrohtesten Walart der Welt gemacht. Bereits im 11. Jahrhundert jagten Basken in der Bucht von Biskaya Nordkaper; sie fuhren im 16. Jahrhundert bis an die kanadische Küste, um Nordkaper zu fangen. Die Siedler in den späteren USA nahmen den Walfang ebenfalls auf, wodurch die Bestände des Nordkapers im Nordatlantik bereits 1750 so stark zurück gegangen waren, dass der kommerzielle Walfang auf andere Walarten ausgedehnt wurde. Dennoch wurden Nordkaper weiterhin gejagt, sodass 1937, als der Nordkaper endlich unter Schutz gestellt wurde, weltweit vermutlich weniger als 100 Individuen am Leben waren. Die ursprüngliche Population wird auf Basis genetischer Untersuchungen auf 100.000 Tiere geschätzt.
Aktuell leben vor Norwegen nur noch um die 10 Exemplare, weltweit etwa 370. Seit 2010 ist die gesamte Population um 26 % zurückgegangen. Denn trotz des Fangverbots sterben jedes Jahr Tiere durch menschlichen Einfluss. Besonders setzen ihnen Fisch-Fangsysteme am Meeresboden und der Schiffsverkehr zu. Gefährlich sind vor allem Reusen für Hummer und andere Krustentiere, die am Meeresgrund stehen und über senkrechte Leinen mit Bojen an der Oberfläche verbunden sind. Die Wale können die dünnen, aber reißfesten Leinen nicht wahrnehmen, verheddern sich darin und verletzen sich oft schwer. Manche schleppen das Leine und Reuse auch monatelang mit sich herum, was sie beim Schwimmen und Tauchen behindert.
Im einzig bekannten Fortpflanzungsgebiet gab es in den letzten Jahren die traurige Nachricht, dass weder Mutter- noch Jungtiere entdeckt werden konnten, obwohl die Meeresforscher das Gebiet sehr intensiv aus der Luft beobachten. Eine der Ursachen für diesen Mangel an Nachwuchs ist vermutlich ein knurrender Magen. Ganz oben auf der Speisekarte der Nordkaper steht ein winziger Ruderfußkrebs namens Calanus finmarchicus. Wenn die Meeressäuger vor Florida und Georgia ihren Nachwuchs bekommen haben, wandern sie zusammen mit den Kälbern nach Norden, wo ihre Leibspeise im Sommer in Massen im Wasser treibt – oder vielmehr trieb. Denn im Golf von Maine, einem traditionellen Nordkaper–Futtergebiet, werden die Krebse seit Beginn des 21. Jahrhunderts immer seltener. Ihnen wird es in den Gewässern zu warm. Die Wale ziehen daher mit ihren Jungtieren der Beute hinterher und kreuzen dabei mehrere Wasserstraßen, so dass es häufig zu Schiffsunfällen kommt. Der Nordkaper ist besonders anfällig für Kollisionen mit Schiffen, weil sie auf der Jagd hochkonzentriert ihrer Beute hinterherschwimmen und ihre Umgebung kaum wahrnehmen.
Eine Möglichkeit, den Tieren das Leben leichter zu machen, sei der Einsatz walfreundlicherer Fischereimethoden, sagen Experten. Dazu gehören zum Beispiel Leinen, die reißen, wenn ein tonnenschwerer Wal daran zerrt. Es gibt auch schon Reusen, die auf vertikale Leinen ganz verzichten können. Diese sind aber nicht verpflichtend und werden von Fischereiverbänden politisch blockiert.
Politisch notwendig:
· Durchsetzung verpflichtende Vorgaben für walfreundliche Fischereimethoden
· Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen
· Verpflichtung zu Schutzzeiten und Warn-Mechanismen in den betroffenen Wasserstraßen
Hier geht es zu den vergangenen Spezies der Woche
Foto: Von NOAA Photo Library – animl1750, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=17942471