Spezies der Woche #142 – Azorengimpel
Auf Sao Miguel, etwa 1400 km vor der portugiesischen Küste im Atlantischen Ozean lebt der Azorengimpel. Die meiste Zeit des Jahres ziemlich zurückgezogen. Wenn er aber seinen Jungvögeln die Insel zeigt, dreht er richtig auf und kann auch ganz schön frech und neugierig werden.
Verbreitungsstatus in Europa
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gefährdet
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Restvorkommen
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Azoren
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Letzte Sichtung in Europa
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aktuell
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Lebensraum
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Lorbeerwälder
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Gefährdung
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intensive Forstwirtschaft, invasive Arten
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Der Azorengimpel, der im Portugiesischen auch Priôlo genannt wird, gleicht in Größe und Silhouette dem Europäischen Gimpel, ist aber von diesem leicht an der Färbung des Gefieders zu unterscheiden. Er ist etwa 17 cm groß, mit schwarzem Kopf und Rücken, schwarzen Beinen und elegant grau-rosa gefärbtem Bauch- und Halsgefieder. Erwachsene Azorengimpel können eine sehr intensive Farbe entwickeln, die an Pfingstrosen erinnert. Der helle Schwanz ist dunkelblau gesprenkelt.
Der Azorengimpel lebt in Lorbeerwäldern, oberhalb von 400 m Höhe. In diesem Lebensraum finden sich nicht ausschließlich Lorbeeren, sondern typischerweise auch Azoren-Stechpalme, Strauchheide, Wacholder, Pflaumenbaum, Heidelbeeren und viele verschiedene Farne und Krautpflanzen. Der Azorengimpel ist Vegetarier und verzehrt je nach Jahreszeit Samen, vegetative oder florale Knospen, Blütenstände und verschiedene Fruchtkörper in seinem Lebensraum verzehrt.
Am besten kann man Azorengimpel im Sommer nach der ersten Brutphase beobachten. Sie sind dann meist paarweise oder in kleinen Familiengruppen unterwegs und besuchen gerne Obstbäume und -plantagen. Bis zum 15. Jahrhundert lebten keine Menschen auf der Insel. Mit der Ankunft des Menschen änderte sich die Lebenssituation für den Azorengimpel grundlegend. In der Phase, in der die Insel auf den Zitrusanbau ausgerichtet war, galt der Azorengimpel, der auch Blütenknospen von Obstbäumen frisst, als Schädling und wurde erbittert bejagt. Dann kam die „Milch“-Phase, in der viel Wald für die Rinderzucht gerodet wurde. Noch heute liefern die Azoren 25 % der Milchproduktion Portugals. Schließlich sorgte die großflächige Anpflanzung der chinesischen Sicheltanne für öde Monokulturen, in denen die Gimpel nichts zu fressen finden. Nur in schwer zugänglichen Gebirgsregionen wie in der Serra da Tronqueira überlebte ein Rest des ursprünglicher Lorbeerwalds. Ergebnis war der drastische Rückgang der Azorengimpel. Anfang des 20. Jahrhunderts galt die Art als ausgestorben. 1968 wurden einige wenige Exemplare in den moorigen Lorbeerwäldern an den Hängen des Pico da Vara wiederentdeckt, des mit 1103 Metern höchsten Bergs der Insel São Miguel.
Seit 2003 werden im Rahmen von LIFE, dem Förderprogramm der Europäischen Union für Klimaschutz und Biodiversität, immer wieder Projekte aufgelegt, um den Lorbeerbaum wieder auf den Azoren zu etablieren und invasive Arten zurückzudrängen. Dass diese Maßnahmen gut funktionieren, sieht man an der steigenden Zahl von Azorengimpel. Derzeit leben wieder etwa 1000 Tiere auf den Inseln. Azorengimpel sind daher nicht mehr „vom Aussterben bedroht“ sondern werden auf der Roten Liste „nur“ noch als „gefährdet“ genannt. Weil die Projekte Arbeitsplätze im Naturschutz schaffen, hat der Vogel auf der Insel neuerdings viele Freunde. Es gilt als ehrenwert und positiv, wenn man für den „Priolo“ arbeitet.
Politisch notwendig:
· Renaturierung von Waldhabitaten
· Umsetzung von angepasstem Forstmanagement
· Weitere Unterstützung der LIFE-Programme
Foto: Von putneymark – https://www.flickr.com/photos/putneymark/9687873328/, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=56339269