Spezies der Woche #101 – Schlammpeitzger
„Gewitterfurzer“ ist ein etwas respektoloser Spitzname für den Schlammpeitzger, der im Englischen auch Wetterfisch genannt wird. Diese Namen beziehen sich auf eine ganz besondere Eigenschaft – die akzessorische Darmatmung. Dabei streckt der Schlammpeitzger sein Maul über die Wasseroberfläche und schluckt Luft. Über seine stark durchblutete Darmschleimhaut kann er Sauerstoff resorbieren. Die verbrauchte Luft wird über den After wieder abgegeben und erzeugt dabei ein quietschendes Geräusch. Da er geringste Luftdruckschwankungen wahrnehmen kann, wird er unruhig, wenn sich ein Gewitter ankündigt und erscheint pfeifend und blubbernd an der Gewässeroberfläche. Die akzessorische Darmatmung ermöglicht es dem Schlammpeitzger, längere Hitze- oder Trockenperioden unbeschadet zu überstehen. Er vergräbt sich im Schlamm und stellt die Kiemenatmung ein. So ist diese ungewöhnliche Fähigkeit ein echter Überlebensvorteil.
Verbreitungsstatus in Rheinland-Pfalz | Vom Aussterben bedroht |
Restvorkommen | Polen, Ungarn, Estland, Lettland |
Letzte Sichtung in Rheinland-Pfalz | 2020 bei Heßheim |
Lebensraum | warme, flache Gewässer mit dichtem Bewuchs |
Gefährdung | Kahle Ufer und Gräben, Trockenfallen der Auen , Pflanzenschutzmittel, |
Der Schlammpeitzger ist gegenüber Gewässerbelastungen weitgehend unempfindlich und kommt mitunter auch in stark verschmutzten Gewässern vor. Sein schlangenartiger, in der Schwanzregion seitlich abgeflachter Körper erreicht eine Länge von 15 bis 30 Zentimetern. Die Schwanzflosse ist abgerundet. Den bräunlich-orangefarbenen Körper zieren seitlich dunkle und helle Längsbinden. Die Haut ist schleimig, mit sehr kleinen Rundschuppen. Am unterständigen Maul sitzen 10 Barteln.
Schlammpeitzger sind ausgesprochen nachtaktiv. Sie ernähren sich von einer Vielzahl wirbelloser Tiere wie Würmern, Insektenlarven, Kleinkrebsen, Muscheln und Schnecken. Die Barteln erleichtern das Auffinden der Nahrung am Boden. Tagsüber vergraben sich die Fische meist im Schlamm, bei abnehmender Wassertiefe und im Winter bis zu 70 Zentimeter tief.
Trotz vieler Überlebensvorteile ist die Art heute in ihrer Bestandsentwicklung stark rückläufig. Durch Entwässerung und “Optimierungsmaßnahmen“ wurden viele geeignete Kleingewässer in landwirtschaftlich intensiv genutzte Flächen umgewandelt. Die Trockenlegung und die Verlandung von Sümpfen, Rhein-Altarmen und Auen bedeutet Lebensraumverlust. Entwässerungsgräben sind potenzielle Ersatzlebensräume, allerdings unterliegen sie in erheblichem Umfang Ausbau- und Unterhaltungsmaßnahmen. Dabei sind wegen der versteckten Lebensweise des Schlammpeitzgers Schädigungen vor allem durch Grundräumungen und Entkrautungen mit maschinellen Grabenfräsen häufig, denn sie fräsen auch die im Schlamm eingegrabenen Fische mit aus. Überleben kann er dort, wo Gräben weniger „ordentlich“ unterhalten werden oder die noch auf traditionelle Weise von Hand entkrautet werden. Auch Steinschüttungen der Ufer, die dann später die gesamte Gewässersohle bedecken, beeinträchtigen den Altfischbestand. Pflanzenschutzmittel und Schwermetalle können die Art trotz seiner hohen Widerstandskraft gegenüber chemischen Belastungen zusätzlich schädigen.
Zur Wiederherstellung eines guten Erhaltungszustandes der Art werden jährliche Besatzmaßnahmen durchgeführt. Hierfür werden im Frühjahr in der Außenstelle Ökosystemforschung der Universität Landau, der Anlage Eußerthal, Schlammpeitzgerlarven aufgezogen, welche nach einigen Wochen in geeignete regionale Gewässer ausgesetzt werden.
Um den Schlammpeitzger zu erhalten, müssen vorrangig seine Lebensräume und noch vorhandene Vorkommen in Schutzgebieten gesichert werden. Vorkommen beziehungsweise pflanzenreiche Gräben sollten durch breite ungenutzte Uferrandstreifen gegenüber Abdrift und Eintrag von Agrochemikalien abgesichert werden.
Politisch notwendig:
· Erhalt und gezieltes Management der Lebensräume
· Erhalt und Wiedervernässung von Auen
· Breite Gewässerrandstreifen
Foto : Ökosystemforschungsanlage Eußerthal, Uni Landau