PRESSEMITTEILUNG: Menschen vor Patente!
PRESSEMITTEILUNG, Montag, 25. Januar 2021 – Brüssel
Menschen vor Patente!
Ende letzter Woche gab das britische Pharmaunternehmen AstraZeneca bekannt, die mit der EU vertraglich vereinbarte Menge seines Corona-Impfstoffes nicht wie geplant liefern zu können. Die Ankündigung kommt nur wenige Tage vor der voraussichtlichen Zulassung des Impfstoffs durch die Europäische Arzneimittelagentur EMA am 29. Januar.
AstraZeneca wird im ersten Quartal 2021 sechzig Prozent weniger Impfdosen liefern als vorgesehen, genau gesagt nur noch 31 Millionen Dosen. Das Problem liege an Produktionsschwierigkeiten in einer belgischen Fabrik, die von Novasep betrieben werde.
Das Ziel, 70 Prozent der erwachsenen Bevölkerung in der EU bis zum Sommer zu impfen, ist in Gefahr. Die Lieferschwierigkeiten betreffen lediglich die Europäische Union.
Hierzu kommentiert die grüne Europaabgeordnete und Pharmazeutin Jutta Paulus:
„Der Schutz von Patenten darf nicht über dem Schutz von Leben stehen! Ich erwarte von der Europäischen Kommission eine ernsthafte Prüfung der Aussetzung von Patenten für lebensrettende Impfstoffe. Dass die Europäische Kommission Antworten vom Impfstoffhersteller AstraZeneca fordert ist richtig, reicht aber nicht aus. Im internationalen TRIPS-Abkommen über geistiges Eigentum sind Ausnahmen vom Patentschutz im Angesicht von „öffentlichen Gesundheitsproblemen“ explizit vorgesehen. Eine Pandemie zählt mit Sicherheit dazu, Die Bundesregierung hat noch im September verkündet, Impfstoffe gegen Covid19 müssten globale öffentliche Güter sein. Jetzt ist es an der Zeit, schönen Worten Taten folgen zu lassen und für eine verpflichtende Lizenzierung der patentgeschützten Impfstoffe an weitere Hersteller in die Wege zu leiten.
Mittel- und langfristig brauchen wir einen neuen Weg in der Pharmaforschung und Medikamentenentwicklung. Im rein profitorientierten System werden heute weder Reserve-Antibiotika entwickelt noch Tropenkrankheiten angemessen erforscht. Die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger muss im Rahmen einer gemeinwohlorientierten Strategie sichergestellt werden. Beispielsweise können Produktentwicklungspartnerschaften mit öffentlicher Finanzierung angestoßen werden. Arzneimittel und Medizinprodukte sind keine normalen Konsumartikel, sondern werden überwiegend aus Steuer- oder Beitragszahlermitteln bezahlt und sind oft lebensnotwendig. Deshalb sollte die Rendite auf ein vernünftiges Maß begrenzt werden. Sobald Unternehmen ihre Investitionen nebst einer Gewinnspanne wieder eingespielt haben, sollten sie sich nicht mehr auf exklusive Rechte an Arzneimitteln und Impfstoffen berufen können.“