Neue EU-Gebäudeenergieeffizienzrichtlinie: Antworten auf die häufigsten Fragen!
Mich haben zahlreiche Zuschriften interessierter und besorgter Bürgerinnen und Bürger zur neuen EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie (EPBD) erreicht. Zunächst einmal: Danke für Euer Vertrauen und Eure Rückfragen! Ich habe hier bereits einen Hintergrund zur neuen EPBD verfasst. Auf Grundlage Eurer Zuschriften trage ich hier nun noch die häufigsten Fragen zusammen. Ich bitte um Verständnis, dass ich aufgrund der Vielzahl der Zuschriften über unterschiedlichste Kanäle nicht auf jede einzelne antworten kann.
Es ist erschreckend und besorgniserregend, wie viele Falschinformationen gestreut werden. Teils werden jeder Grundlage entbehrende Behauptungen gezielt hetzerisch verbreitet, teils werden sie unreflektiert übernommen.
Hier auch ein Link zu einem Faktencheck.
1. Wann tritt das Gesetz in Kraft?
Am 14. März hat das Europaparlament seine Änderungsvorschläge zum von der EU-Kommission eingebrachten Gesetz beschlossen. Der Rat der Mitgliedstaaten hat seine Vorschläge bereits im Oktober 2022 beschlossen. Beide Gesetzgebungsorgane werden nun in den Trilog-Verhandlungen mit der EU-Kommission Kompromisse zwischen den beiden Positionen erarbeiten. Am Ende wird eine Richtlinie stehen, die nochmals von Abstimmungen in Parlament und Rat bestätigt wird, vermutlich im Herbst 2023. Danach erfolgt die Umsetzung in nationales Recht in den Mitgliedstaaten, das wird – je nachdem, welche Frist in den Verhandlungen beschlossen wird – ein bis zwei Jahre dauern. Jedes EU-Mitgliedsland, z.B. Deutschland, bringt dabei ein eigenes Gesetz auf den Weg, um die Mindestanforderungen der EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie umzusetzen. Weil alle Länder in der EU verschiedene Ausgangssituationen und Herausforderungen haben, entscheiden sie selber über die zu ergreifenden Maßnahmen in ihrem Land. Die EU-Richtlinie gibt lediglich die Mindestanforderungen vor. Die Situation in Mittelmeerländern mit sehr heißen Sommern ist beispielsweise eine andere als in Skandinavien, wo die Winter lang und kalt sind. In einigen Ländern wird mehr Energie zum Kühlen als zum Heizen benötigt und andersrum. Die Anforderungen an effiziente Gebäude sind dadurch unterschiedlich. Auch haben einige Mitgliedstaaten bereits in Modernisierungen investiert, andere wiederum müssen noch einiges nachholen.
2. Werde ich enteignet oder bestraft, wenn ich mir die energetische Gebäudemodernisierung nicht leisten kann?
Kurze Antwort: Nein! Die EU-Richtlinie schreibt keine Enteignungen, Strafzahlungen oder sonstiges vor, wenn Gebäudebesitzer nicht modernisieren. Niemand muss sein Haus oder seine Wohnung verlassen, egal ob Eigentum oder Miete.
Was ist Fakt: Die Mitgliedstaaten müssen angemessene Maßnahmen ergreifen, um die Erfüllung der Ziele (dazu unten mehr) zu gewährleisten.
Ziel der neuen EU-Richtlinie zur Gebäudeenergieeffizienz ist, die Bürgerinnen und Bürger in Europa vor hohen Energiekosten zu schützen und unsere Klimaziele zu erreichen. Die neue Gebäudeenergieeffizienzrichtlinie setzt Mindeststandards und Ziele und empfiehlt den Mitgliedstaaten Instrumente, enthält aber keinerlei Zwänge.
Es werden leider viele Falschinformationen gestreut und mit den Ängsten der Menschen gespielt. Menschen zu enteignen würde dem Ziel der neuen Richtlinie überhaupt nicht dienen, sondern schaden: Was würde denn geschehen, wenn jemand zwangsenteignet würde? Das Gebäude würde dadurch nicht effizienter. Das würde sowohl die Erreichung der Effizienzziele verlangsamen als auch soziale Notlagen verursachen.
3. Wann muss ich mein Eigentum auf einen höheren Effizienzstandard bringen?
Zunächst einmal setzt die neue Richtlinie einheitliche Regeln für die Effizienzklassen. Statt willkürlicher Festlegungen, wie sie die Mitgliedstaaten bisher machen durften, gibt es jetzt klare Vorgaben: Die Skala geht von A+ bis G. A+ entspricht Plusenergiehäusern, also Gebäuden, die mehr Energie ernten als verbrauchen, beispielsweise sehr gut gedämmte Neubauten mit Photovoltaik. A entspricht Nullenergiehäusern. In Klasse G werden die 15 % ineffizientesten Gebäude in dem betreffenden Mitgliedstaat einsortiert. Für Deutschland entspricht das einem Energieverbrauch von ca. 250 kWh pro Quadratmeter und Jahr. Alle anderen Gebäude werden gleichmäßig auf die Klassen B bis F verteilt.
Der Gesetzesvorschlag sieht vor, dass alle Gebäude der Klasse G bis 2030 auf den Standard F und bis 2033 auf E gebracht werden sollen. Das ist häufig schon mit relativ einfachen Maßnahmen möglich und rechnet sich nach Auslaufen der Gaspreisbremse binnen weniger Jahre.
Viele Hausbesitzer*innen planen bereits als Reaktion auf die Energiepreiskrise Modernisierungen. Es gilt jetzt, insbesondere einkommensschwache Eigentümerinnen und Eigentümer zu unterstützen. Denn wer eine niedrige Rente bezieht, aber im eigenen Haus lebt, hat heute kaum eine Möglichkeit, Modernisierungsarbeiten zu finanzieren, wird aber durch hohe Heizkosten stark belastet. Auch für Mieterinnen und Mieter bedeutet die neue Gesetzeslage, dass sie vor explodierenden Energiekosten geschützt werden.
4. Muss jedes Gebäude modernisiert werden?
Wie oben beschrieben, schreibt die neue EU-Richtlinie die Modernisierung der untersten Effizienzklassen vor. Das sind hierzulande meist Gebäude, die in den 1950er und 1960er Jahren, vor Inkrafttreten der ersten Wärmeschutzverordnung nach der Ölkrise der 1970er Jahre, gebaut wurden, um schnell Wohnraum für viele Menschen zu schaffen und die seitdem nicht mehr modernisiert wurden. Trotz des großen Einsparpotentials solcher Häuser gibt es in der neuen Richtlinie die Möglichkeit, ein Viertel der Gebäude auszunehmen. Jeder Mitgliedstaat muss allerdings einen Fahrplan erstellen, wie das Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestands 2050 erreicht werden soll.
De facto gelten die Renovierungsverpflichtungen nur für circa die Hälfte der Gebäude, die derzeit den höchsten Energieverbrauch haben. Bei diesen Gebäuden ist der Energieverbrauch allerdings so hoch und das Heizen daher so teuer, dass sich Modernisierungen schnell amortisieren. Die zur Verbesserung um eine oder zwei Energieeffizienzklassen (z. B. von Klasse G auf E) erforderlichen Modernisierungen sind in der Regel „einfache“ Renovierungen mit kurzen Amortisationszeiten, wie z. B. der Austausch von einfach verglasten Fenstern durch Doppel-/Dreifachverglasung oder die Installation eines effizienteren Heizungssystems, z. B. einer Wärmepumpe. Auch ohne das Warten auf die fertige EU-Richtlinie und das nationale Recht können Eigentümer*innen durch solche Maßnahmen ihren Energieverbrauch und somit ihre Rechnungen schnell und dauerhaft senken. Deshalb ist es auch sinnvoll, dass Robert Habeck die Förderprogramme umgestellt hat und für die Förderung der Bestandsmodernisierung sehr viel mehr Geld zur Verfügung steht als für den Neubau.
Erhebungen zufolge haben 11 Prozent der Eigenheimbesitzer*innen, die ihr Haus selber bewohnen, Einkünfte im unteren Einkommensdrittel. Diese elf Prozent könnten beispielsweise in die Ausnahmequote fallen. Allerdings leiden diese Haushalte auch überproportional unter den hohen Energiepreisen.
Die Richtlinie beinhaltet eine Vielzahl weiterer Ausnahmen, u.a. für historische Gebäude, religiöse Gebäude, technische Bauten und nur temporär genutzte Gebäude wie Ferienhäuser. Denkmäler und Gedenkstätten fallen grundsätzlich nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie. Allein die Ausnahmen betreffen ca. 30 Prozent aller Gebäude in der Union.
Fazit: Wer schon einmal Maßnahmen an seinem Haus oder seiner Wohnung durchgeführt hat, wird wahrscheinlich nicht betroffen sein. Wer noch nichts gemacht hat, hat 10-12 Jahre Zeit, um die für sein Gebäude richtigen Maßnahmen umzusetzen (häufig reichen auch kleine Maßnahmen), wenn das Gebäude nicht ohnehin unter eine der vielen Ausnahmen fällt.
5. Mit welcher finanzieller Unterstützung kann ich rechnen?
Das eigene Häuschen zu modernisieren ist eine Investition, die sich auszahlt. Es ist auf lange Sicht kostengünstiger und steigert den Wert der Immobilie. Nach dem Energiepreisschock des letzten Jahres sind viele Menschen verunsichert, denn niemand kann vorhersagen, welche Preisschwankungen zukünftig bei fossilen Brennstoffen auftreten können.
Die Richtlinie gibt den Mitgliedstaaten Leitplanken für die Unterstützung der Gebäudemodernisierung an die Hand. So sollen insbesondere Menschen – Mieter*innen wie Eigentümer*innen – aus der Energiearmut geholt werden. Auch sollen die Mitgliedstaaten neue Finanzierungsinstrumente wie „pay-as-you-save“ auf den Weg bringen. Und durch staatliche Garantien und Bürgschaften sollen Zugänglichkeit wie Attraktivität der notwendigen Kredite verbessert werden.
Die genauen nationalen Antragsverfahren und Töpfe werden durch die EU-Mitgliedstaaten festgelegt. Diese nationalen Förderprogramme greifen jedoch auch auf EU-Fördergelder zurück.
Bei kostenneutralen Ansätzen wie dem „Pay as you save“-Modell („Zahle-was-Du-sparst“) sind keine Eigeninvestitionen des Hauseigentümers nötig, da die Darlehen für die Modernisierung durch die Einsparung bei den Heizkosten zurückgezahlt werden.
Eine weitere Möglichkeit für kostenneutrale Renovierungen ist es, das Energiesparen per Vertrag zu fördern. Dabei finanzieren und übernehmen Energiedienstleistungs-Unternehmen die Renovierungsarbeiten, während Gebäudebesitzer für rund 5-7 Jahre monatlich Abschlagszahlungen in Höhe der (krisenbereinigten) Energierechnungen bezahlen. Daraus wird die Renovierung finanziert und es entstehen keine Vorlaufkosten oder Eigenkapitalverpflichtungen für Gebäudebesitzer. Nach Ablauf der Vertragslaufzeit profitieren Gebäudebesitzer dauerhaft vom niedrigen Energiebedarf ihrer Gebäude oder ihrer Wohnung.
Die Kommission und die Europäische Investitionsbank haben darüber hinaus spezielle Programme aufgelegt, um die Mitgliedstaaten bei der Nutzung von EU- und nationalen Mitteln zur Mobilisierung von privatem Kapital zu unterstützen, wie etwa die JESSICA-Initiative. Außerdem gibt es spezielle Programme für technische Hilfe, um die Kapazitäten von Ministerien, Regionen und lokalen Behörden zu erhöhen.
EU-Töpfe sollen maßgeblich zur Unterstützung von Renovierungen zum Einsatz kommen, wie beispielsweise der Kohäsionsfonds, die „Fazilität für Konjunkturbelebung und Widerstandsfähigkeit“ (Corona-Wiederaufbaufonds) sowie der soziale Klimafonds. Diese Unterstützung aus EU-Geldern wird durch weitere nationale und europäische Programme ergänzt. Wir Grüne wollen uns dafür einsetzen, dass diese Mittel im nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen MFR der EU erhöht werden. Im aktuellen MFR bis 2027 werden schätzungsweise rund 110 Mrd. EUR aus dem EU-Haushalt (einschließlich Modernisierungsfonds und Finanzierung durch die Europäische Investitionsbank) für die Gebäuderenovierung bereitgestellt, was unter Einbeziehung der nationalen Mitfinanzierung und privater Investitionen zu Investitionen in Höhe von insgesamt 230 Mrd. EUR führen könnte. Nach Angaben der EU-Kommission wären bis 2030 insgesamt 275 Milliarden an jährlichen Investitionen für die Renovierung von Gebäuden in der gesamten EU erforderlich, was zusätzlichen 152 Milliarden an jährlichen Investitionen entspricht. Zum Vergleich: Allein für Gasimporte sind letztes Jahr mehr als 400 Milliarden Euro aus der EU abgeflossen.
Aus den Daten der Kommission geht hervor, dass sich die geschätzten Gesamtausgaben für die Gebäudesanierung im Rahmen der Fazilität für Konjunkturbelebung und Widerstandsfähigkeit (Corona-Wiederaufbaufonds) auf 49,7 Mrd. EUR belaufen – das sind 10,2 Prozent der Gesamtausgaben in den Plänen. Es wird erwartet, dass das zu Gesamtinvestitionen von etwa 97 Mrd. EUR führen wird.
6. Ich habe meine Wohnung/mein Haus bereits kürzlich saniert. Muss ich jetzt trotzdem neu sanieren?
Nein, die EU-Gebäudeenergieeffizienzrichtlinie schreibt nur die Modernisierung der zwei schlechtesten Effizienzklassen vor. Das sind in Deutschland sehr alte Häuser, meist aus den 1950er und 1960er Jahren, die in der Regel noch nie renoviert wurden. Bei Häusern, die in höhere Effizienzklassen fallen, lohnt sich die Modernisierung meist trotzdem. Und da spätestens 2050 der gesamte Gebäudebestand in der Europäischen Union klimaneutral sein soll, wird jeder Mitgliedstaat einen Fahrplan aufstellen müssen, welche Effizienzklassen wann angegangen werden.
7. Welche neuen Effizienzklassen gibt es und brauche ich einen neuen Energieausweis?
Das EU-Parlament hat sich dem Vorschlag der Kommission angeschlossen, dass in ganz Europa gleiche Regeln für die Effizienzklassen für Gebäude „A“ bis „G“ gelten. Ähnlich wie bei Haushaltsgeräten spiegeln die Klassen den Energieverbrauch wieder. Bis 2033 sollen alle Gebäude mindestens eine Effizienzklasse im Mittelfeld erreichen. Außerdem sollen ab 2028 alle Neubauten „Zero Emission Buildings“, also Nullemissionsgebäude sein, die keine fossilen Brennstoffe benötigen.
Das bisherige System der Gebäudeeffizienzklassen wird beibehalten, aber mit klaren Maßstäben versehen: Plusenergiehäuser bekommen die Effizienzklasse A+, Nullenergiehäuser bekommen die Effizienzklasse A, und die schlechtesten 15 Prozent der Gebäude in dem betreffenden Mitgliedstaat werden in Effizienzklasse G eingestuft. Alle Klassen dazwischen müssen so eingeteilt werden, dass ungefähr gleich viele Gebäude in jeder Klasse enthalten sind. Damit ist klar: Effizienzklasse D in Deutschland muss nicht identisch sein mit Effizienzklasse Din Spanien, aber es handelt sich in beiden Fällen um ein Gebäude, das nah am durchschnittlichen Energiebedarf der Gebäude im betreffenden Mitgliedstaat liegt. Bis zum Inkrafttreten der in nationales Recht umgesetzten Richtlinie gelten natürlich die alten Energieausweise.
8. Wieso verpflichtet die EU Deutschland überhaupt zu Sanierungsmaßnahmen?
Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten haben sich dazu verpflichtet, bis zum Jahr 2030 ihre Treibhausgasemissionen um 55 Prozent, verglichen mit 1990, zu verringern. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen alle Sektoren ihren Anteil leisten. Es ist Aufgabe der EU-Kommission, Gesetze auf den Weg zu bringen oder neu zu fassen, die den Mitgliedstaaten helfen, dieses Ziel zu erreichen.
Gebäude sind für etwa 40 Prozent des Energieverbrauchs und 36 Prozent der CO2-Emissionen in Europa verantwortlich. Mehr als Hälfte der Emissionen stammen zudem aus den beiden schlechtesten Gebäudeeffizienzklassen. Das sind die beiden Effizienzklassen, in denen bereits mit recht einfachen Mitteln nicht unbeträchtliche Einsparungen erreicht werden können.
Der grausame Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat uns unsere Abhängigkeit von fossilen Energieimporten nochmal schmerzlich vor Augen geführt. Modernisierungen wurden über Jahrzehnte verschleppt, weil fossile Energie so billig war. Diese Untätigkeit fällt uns allen auf die Füße. In vielen Gebäuden wird buchstäblich zum Fenster hinaus geheizt – zu enormen Kosten für Menschen und Klima.
Die Mindeststandards der neuen EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD) sollen Menschen vor steigenden Energiekosten zu schützen und einen wichtigen Beitrag zur Erreichung des EU-Klimaziels zu leisten. Weniger Energieverbrauch bedeutet weniger Heizkosten und eine bessere Wohnqualität, und Energieeffizienz ist unabdingbar für den Ausstieg aus fossilen Energien. Die günstigste Energie ist die, die gar nicht erst verbraucht wird!
31 Millionen Europäer*innen (sieben Prozent der Bevölkerung der 27 EU-Länder) waren 2019 nicht in der Lage, ihre Wohnung angemessen zu beheizen. Diese Zahl ist während der Energie- und Ukraine-Krise erheblich gestiegen. Die Verbesserung der Gesamtenergieeffizienz der schlechtesten Gebäude wird zu einer Senkung der Wärme- und Stromkosten führen, was sich, kombiniert mit geeigneten Förderprogrammen, positiv auf die Armutsbekämpfung auswirken wird.
Wer noch mehr Informationen haben möchte: auf den Seiten der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland findet sich eine sehr ausführliche Darstellung.