Anhörung von Kommissionskandidierenden
In den letzten Tagen befragten wir Europaabgeordnete die ersten Anwärterinnen und Anwärter für die Kommissionsposten der neuen Europäischen Kommission von Ursula von der Leyen. Ich nahm an mehreren dieser Anhörungen teil, die passenderweise auch „Grillen“ genannt werden.
Ursula von der Leyen wurde im Juli vom Europäischen Parlament zur designierten neuen Kommissionschefin ernannt und hat vor wenigen Wochen Kandidatinnen und Kandidaten für ihr Team vorgeschlagen. Die EU-Verträge sehen dabei vor, dass jedes Land der europäischen Union mit einer Kommissarin oder einer einem Kommissar im Leitungsgremium vertreten sein sollen. Ursula von der Leyen muss dabei auf Vorschläge aus den Ländern zurückgreifen, mit diesen gemeinsam also ein Team zusammenstellen. Dabei steht es ihr auch frei, einzelne Kandidierende von sich aus zurückzuweisen.
Die Nominierten müssen dann jeweils eine Mehrheit im zuständigen Fachausschuss des Europäischen Parlaments erringen. Hierfür werden sie von den Abgeordneten im Ausschuss mit Fragen „gegrillt“. Bei diesen Anhörungen werden die Kandidierenden bezüglich ihrer Fachkenntnisse, politischen Überzeugungen, aber auch hinsichtlich ihrer Integrität und Glaubwürdigkeit befragt. Anschließend entscheiden Vertreter*innen der Fraktionen im jeweiligen Ausschuss – die sogenannten Koordinatoren – , ob sie den oder die Kandidierende unterstützen, ablehnen oder zu einer weiteren Anhörung vorladen. Wenn hier ein Mitglied des Teams von der Leyens endgültig keine Mehrheit erhält, muss die zukünftige Kommissionspräsidentin vom entsprechenden Mitgliedsstaat um eine andere Person bitten, die sich dann ebenfalls dem Parlament vorstellen und es überzeugen muss. Genau das ist zwei Mail passiert.
Kadri Simson (Energie; Estland)
Die Estin Kadri Simson (Jahrgang 1977) war bisher Ministerin ihres Heimatlandes. und Jetzt ist sie als Energie-Kommissarin nominiert.
Ich habe sie persönlich befragt (im Video ab 17:10). Dabei offenbarte Kadri Simson sich leider als Anhängerin einer auf fossilen Brennstoffen beruhenden Energieversorgung. Als Kommissarsanwärterin für Energie der Europäischen Union, die sich der Einhaltung der Klimaschutzziele von Paris verschrieben hat, fällt sie mit ihrem auf Kohle und Gas beruhenden Politikansatz durch. Weder will sie gesetzlich das Erreichen der Ziele der Union ermöglichen, noch setzt sie auf Zukunftstechnologien. Stattdessen setzt sie auf Investitionen in Gas und Flüssigerdgas, die durch Methanentweichungen erheblich zum Treibhausgaseffekt beitragen.
Bereits heute ist Methan in der Atmosphäre für ca. 15% des globalen Temperaturanstiegs verantwortlich. Wer angesichts dessen immer noch auf Erdgas setzt, hat den Ernst der Lage nicht verstanden.
Stella Kyriakides (Gesundheit; Zypern)
Von Zypern kommt Stella Kyriakides (Jahrgang 1956).
Stella Kyriakides hinterließ durch ihre Anhörung einen eindeutig positiven Eindruck. Bisweilen waren bei Detailfragen die Antworten noch etwas vage, doch die Professionalität überzeugte. Die Gesundheitspolitikerin hat den Kampf gegen Krebs sehr in den Mittelpunkt gestellt, ein Forschungsfeld, das die grüne Fraktion im Europaparlament unterstützt. Persönlich hat sie sich auch mit ihrem Engagement gegen Brustkrebs verdient gemacht. Auch deshalb wird meine Fraktion der Grünen/Freien Europäischen Allianz sie als Kommissarin für Gesundheit unterstützen.
Sylvie Goulard (Binnenmarkt; Frankreich)
Die Französin (Jahrgang 1964) ist Mitglied der Emmanuel Macron unterstützendenden Partei ‚Mouvement démocrate‘. Sie war bereits von 2009 bis 2017 Europaparlamentarierin und anschließend kurzzeitig Verteidigungsministerin Frankreichs. Seit 2018 ist sie Vizepräsidentin der Banque de France und wurde nun als Kommissarin für den Binnenmarkt nominiert.
Goulard wird sich uns Abgeordneten ein zweites Mal– diesmal schriftlich –stellen müssen. Auch eine weitere Anhörung im Ausschuss ist im Moment nicht ausgeschlossen. Sylvie Goulard trat wegen der Scheinbeschäftigung eines Mitarbeiters in ihrer Zeit als EU-Parlamentarierin vom Amt der französischen Verteidigungsministerin zurück.
Für meine Fraktion waren zudem auch inhaltliche Aspekte entscheidend. Einerseits konnte sich die Kandidatin gut präsentieren, antwortete auf schwierige Fragen ruhig und selbstsicher. Dabei versprach sie eng mit dem Parlament zusammenarbeiten zu wollen, ging aber nur wenig auf zentrale Punkte wie den ‚Green New Deal‘ ein. Negativ fiel außerdem auf, dass die Französin zu vielen zentralen Themenfeldern der grünen Fraktion wenig inhaltlich zu sagen hatte. So konnte sie keine Pläne vorstellen, wie dem Dieselgate beizukommen oder Kreislaufwirtschaft gefördert oder ökologische Beschaffungen zu verbessern wäre.
Janusz Wojciechowski (Landwirtschaft; Polen)
Als Mitglied der polnischen PiS-Partei wurde der Jurist Janusz Wojciechowski (Jahrgang 1954) als Landwirtschaftskommissar nominiert. Zuvor war er sowohl Präsident des obersten Rechnungshofes Polens als auch Mitglied des Europäischen Rechnungshofes.
Konsens innerhalb der grünen Fraktion im Europaparlament ist die Bewertung der Vorstellung Janusz Wojciechowskis. Einer konservativen Tradition folgend nominierte Ursula von der Leyen den Polen für das Agrarressort. Bei der Anhörung wurde dann leider klar, dass der Jurist und erfahrene Rechnungsprüfer mit ökologischer Landwirtschaftspolitik wenig zu tun hat und noch weniger davon versteht. Weder die Unterstützung kleiner bäuerlicher Betriebe, noch klima- und umweltfreundlicher Landwirtschaft an sich oder Tierwohl sind für ihn relevante Themen. Er setzte bei der Anhörung deutlich auf das bisherige Modell, europäische Landwirte mit Flächenprämien zu stärken, ohne diese an ökologische Kriterien zu koppeln. Insgesamt also will er die verfehlte Agrarpolitik der letzten Jahrzehnte fortsetzen und zeigt sich dabei als wenig kompetent auf dem weiten Feld der EU-Agrarpolitik. So wird er keine Unterstützung aus der Fraktion ‚Greens/EFA‘ erhalten.
Nächste Woche berichte ich hier, wie es mit den Anhörungen weitergeht. Unter anderem steht am Dienstagabend die Anhörung Frans Timmermanns an, auf die ich besonders gespannt bin, weil er als Vizepräsident der Europäischen Kommission für den Green Deal zuständig sein wird.