Welttag der Feuchtgebiete: Die Nieren der Natur schützen!

Wie viele Städte in Europa, wurde auch die europäische Hauptstadt Brüssel einst auf sumpfigem Grund erbaut. Die in seichten Gewässern wachsende Sumpfblume Iris pseudacorus, auch als Gelbe Schwertlilie bekannt, ist noch heute im Wappen der Region Brüssel-Hauptstadt zu finden. Früher wuchs sie rund um die Stadtmauern und verhalf den Herzögen von Brabant einst zu einem wichtigen Sieg. Die Legende besagt, dass die Truppen der Herzöge sicher durch die überschwemmten Felder galoppieren konnten, da sie sich an die von der Schwertlilie bewachsenen flachen Wasserflächen hielten. Ihre Gegner jedoch, die mit der sumpfigen Umgebung nicht vertraut waren, sackten unweigerlich im Sumpf ein. 

Wo Menschen ihre Siedlungen errichteten, wurden Feuchtgebiete trockengelegt, um Platz für Gebäude und landwirtschaftliche Flächen zu schaffen. Das setzt sich bis heute fort, es werden noch immer Feuchtgebiete zerstört. Feuchtgebiete wie Sümpfe und Moore spielen jedoch eine maßgebliche Rolle für die Artenvielfalt, die Umwelt und das Klima. Als natürliche Wasserspeicher sind sie auch für den Hochwasserschutz wichtig. Wegen ihrer weitreichenden Bedeutung und der schwerwiegenden Folgen ihres zunehmenden Verschwindens müssen die Anstrengungen für ihren Schutz und ihre Renaturierung verstärkt werden. 

Feuchtgebiete sind wichtig für den Arten- und Klimaschutz

Am Welttag der Feuchtgebiete (2. Februar) wird der Ramsar-Vereinbarung für den Schutz von Mooren, Sümpfen und anderen feuchten Lebensräumen gedacht. Nach internationaler Vereinbarung werden Feuchtgebiete durch die Ramsar-Konvention geschützt, die jedoch auf rein freiwilligen Selbstverpflichtungen der teilnehmenden Staaten gründet und rechtlich nicht bindend ist. Allein mehr als 60 Prozent der europäischen Moorgebiete sind bereits zerstört. Mit dem neuen Renaturierungsgesetz hat die Europäische Union die wertvolle Gelegenheit, Feuchtgebiete endlich wirksam zu schützen und wiederherzustellen.

Moore leisten einen großen Beitrag zur Artenvielfalt und bieten einen einzigartigen Lebensraum für viele selten gewordene oder sogar regional ausgestorbene Pflanzen- und Tierarten. Auf nährstoffarmen, wassergesättigten Böden und bei niedrigen pH-Werten überleben nur „Spezialisten“ wie Sonnentau, Wollgras oder Moosbeere, die nirgendwo sonst gedeihen. Wasser- und Watvögel rasten hier während ihres Zuges oder bleiben zum Überwintern. Moore und Feuchtgebiete halten Wasser in der Landschaft und puffern Starkregenereignisse. Sie gelten auch als „Nieren der Landschaft“, denn ihre Böden filtern Nähr- und Schadstoffe und sorgen so für sauberes Grundwasser. Uns Menschen stehen ohne gesunde Ökosysteme weder trinkbares Wasser, noch saubere Luft, fruchtbare Böden, fischreiche Ozeane, bestäubte Obstbäume, biobasierte Wirkstoffe und vieles mehr zur Verfügung. 

Für das Erreichen der Pariser Klimaschutzziele und die Begrenzung der globalen Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius wird der Schutz von Feuchtgebieten essentiell sein. Insbesondere Moore tragen als natürliche Kohlenstoffsenken zur weltweiten Minderung von Treibhausgasen bei. Obwohl sie nur drei Prozent der Landmasse der Erde ausmachen, speichern sie mehr Kohlenstoff als alle Wälder der Welt zusammen. Ihre Trockenlegung zur landwirtschaftlichen Nutzung oder für die Siedlungsentwicklung führt zu mikrobieller Aktivität im nun belüfteten Boden und dadurch zur Freisetzung des gespeicherten Kohlenstoffs als Kohlendioxid, was wiederum den Treibhauseffekt beschleunigt. Bei der Entwässerung von nährstoffreichen Niedermooren wird zusätzlich Lachgas freigesetzt, dessen Treibhausgaspotenzial im Vergleich zu CO2 fast das 300-fache beträgt.  Unverständlicherweise wird in Deutschland und den baltischen Staaten auch heute noch industriell Torf abgebaut, um ihn als Substrat für den Gemüseanbau zu verkaufen. In Finnland und Irland wird Torf sogar noch zur Strom- und Wärmeerzeugung verfeuert.

Europa muss Vorreiterin beim Schutz von Feuchtgebieten werden

Deshalb war es uns Grünen in Deutschland wichtig, den Schutz von Mooren als öffentliches Interesse im Koalitionsvertrag festzuschreiben. Ich werde mich in den nächsten Monaten als grüne Verhandlungsführerin in Brüssel dafür einsetzen, dass überlebenswichtige Lebensräume wie Feuchtgebiete endlich bindend und wirksam geschützt werden und das neue EU-Renaturierungsgesetz die nötigen Grundlagen schafft. Dafür braucht es klare, flächenbezogene Zielvorgaben nach Lebensraumtypen sowie Leitlinien für die Vernetzung von Ökosystemen, die auch Wanderbewegungen von Tieren mitdenken. Subventionen, die der Umwelt schaden, darf es nicht länger geben. 

Der Abbau von Torf muss endlich beendet werden. Torf als Substrat oder zur Energiegewinnung ist nicht zukunftsfähig, und Alternativen sind schon längst vorhanden. 

Entwässerte Gebiete müssen, wo machbar, wiedervernässt und renaturiert werden. Da viele ehemalige Moore und Feuchtgebiete heute bebaut sind, wird dies nicht überall möglich sein. Auch die landwirtschaftliche Bewirtschaftung wird nicht vollständig beendet werden können.  Hier müssen daher moorschonende Bewirtschaftungsformen unterstützt werden. Eine Landwirtschaft in Form der Paludikultur, der standortangepassten Nutzung von Mooren und Sümpfen im vernässtem Zustand, kann klimaschädliche Entwässerung beenden und gleichzeitig ökologische Produkte für Baumaterialien, Chemieindustrie oder den Gartenbau hervorbringen. 

Auf der Weltbiodiversitätskonferenz von Kunming und Montreal hat sich die Weltgemeinschaft verpflichtet, mindestens 30 Prozent der Land- und Seeflächen bis zum Jahr 2030 unter Schutz zu stellen. Noch nie wurden so hohe und ambitionierte Erhaltungsziele auf globaler Ebene festgeschrieben. Damit dieses Vorhaben zum Erfolg wird, muss gerade auch die Europäische Union Vorreiterin werden und ambitionierte Schutz- und Wiederherstellungsmaßnahmen ergreifen. Europa ist der Kontinent mit dem geringsten Anteil wilder Natur. Wir werden andere Länder nur dann zur Bewahrung ihrer Urwälder und Feuchtgebiete überzeugen und sie dabei unterstützen können, wenn wir es schaffen, unsere eigenen Ökosysteme zu revitalisieren. Darüber hinaus muss der Schutz von Feuchtgebieten in alle EU-Handelsabkommen aufgenommen werden, um zum Erhalt von Mooren als wichtige Kohlenstoffsenken und einzigartige Lebensräume weltweit beizutragen.

Der sich seit Jahren verschlechternde Erhaltungszustand europäischer Tier- und Pflanzenarten kann gebremst und umgekehrt werden, wenn wir es schaffen, in diesem Jahr weitreichende Renaturierungsziele im EU-Recht festlegen.

Mehr Infos zu Mooren:

Link zu meiner Moorfibel.

Link zum neuen Mooratlas der Heinrich-Böll-Stiftung.