Europa sagt Krebs den Kampf an
16.02.2022
Das Europäische Parlament in Straßburg hat zahlreiche Empfehlungen an die Europäische Kommission zur Bekämpfung von Krebs angenommen – ein wichtiger Schritt für mehr Gesundheitsvorsorge in Europa! Allein 2020 wurden 2,7 Millionen Europäer*innen mit Krebs diagnostiziert und 1,3 Millionen Menschen in Europa haben ihr Leben an diese schreckliche Krankheit verloren. 40 Prozent der Erkrankungen könnten mit Präventionsmaßnahmen verhindert werden.
Die Empfehlungen wurden vom Sonderausschusses für Krebsbekämpfung (BECA) erarbeitet, der eineinhalb Jahre lang etliche Expertenanhörungen durchführte, sich mit der WHO und anderen Gesundheitsorganisationen austauschte, wissenschaftliche Erkenntnisse rund um Prävention und Behandlung von Krebsleiden sammelte und die daraus resultierenden politischen Schlussfolgerungen diskutierte. Der Sonderausschuss und die nun angenommenen Empfehlungen sind eine Antwort an die 2020 von der Europäischen Kommission angekündigten Maßnahmen zur Krebsbekämpfung. Wir Europaabgeordnete fordern Rahmenbedingungen nicht nur für Tabak, Alkohol und Lebensmittel, sondern auch für Umweltfaktoren wie Luftqualität, Pestizideinsatz und Exposition gegenüber krebserregenden Stoffen und endokrinen Disruptoren (hormonähnlich wirkende Substanzen).
Die Europäische Kommission wird nun zu vielen Maßnahmen Gesetzesvorschläge vorlegen, die die Prävention, aber auch die Behandlung von Krebserkrankungen betreffen.
Krebsprävention muss an erster Stelle stehen
Die beste Waffe gegen Krebs ist die Prävention. Erkrankungen zu verhindern ist das wichtigste Ziel im Kampf gegen diese schreckliche Krankheit, an der jährlich Millionen Europäer*innen erkranken.
Gesunde Nahrung schützt vor Krebs. Deshalb müssen Programme gegen Fettleibigkeit ausgebaut werden, die Zulassungsverfahren für Pestizide sehr viel strenger werden und schadstofffreies Trinkwasser sichergestellt werden. Bei der Neufassung der Luftqualitätsrichtlinie müssen die Grenzwerte an die Richtwerte der WHO angepasst werden. Lebensmittel brauchen eine verpflichtende Nährwertkennzeichnung auf der Vorderseite von Verpackungen, denn Verbraucher*innen haben ein Recht auf Information und Aufklärung darüber, was sie essen.
Nicht nur die REACH-Verordnung, auch weitere Gesetze und Richtlinien, die sich mit Chemikalien im weiteren Sinne befassen, müssen besser auf die Krebsprävention abgestimmt werden! Auch Kosmetika, Spielsachen, Textilien und Baustoffe sind noch viel zu oft mit krebserregenden Substanzen belastet. Für hormonähnlich wirkende Stoffe, die mit einer ganzen Reihe von Krebserkrankungen in Verbindung gebracht werden, muss bei der Neufassung der REACH-Verordnung eine eigene Gefahrenklasse eingeführt werden.
Verbraucher*innen haben Recht auf Aufklärung! Deshalb braucht es mehr Aufklärung und Verbraucherschutz, v.a. bei Tabak und Alkohol. Aromen in E-Zigaretten, die insbesondere Minderjährige und Nichtraucher*innen ansprechen sollen und so zum Rauchen verführen können, sollte es in Zukunft nicht mehr geben. Inhaltsstoffe und Angaben zu möglichen gesundheitlichen Folgen dürfen nicht vor Verbraucher*innen verheimlicht werden. Leider wurden wissenschaftliche Erkenntnisse zu Alkohol auf massiven Druck der Lobby und aus den Reihen der Europäischen Volkspartei EVP (zu der auch CDU und CSU gehören) aus dem Parlamentsbericht herausgestrichen. Obwohl die WHO davor warnt, dass es keine „sicheres Maß“ für Alkoholkonsum gibt und Wissenschaftler*innen nachgewiesen haben, dass auch geringe Mengen Alkohol Krebs verursachen können. Ebenfalls auf Druck der EVP wurde die Forderung nach einer Kennzeichnung zu Gesundheitsgefahren auf dem Etikett alkoholischer Getränke abgeschwächt. Stattdessen soll nun zu „moderatem Konsum“ aufgerufen werden – aus einem Warnhinweis wird eine Werbemaßnahme. Fakt ist: Alkohol verursacht 10 Prozent der Krebserkrankungen bei Männern und 3 Prozent bei Frauen. Nach Tabakrauch ist Alkohol der zweithäufigste Grund für eine Krebserkrankung. Aufgrund dieser Bedeutung von Alkohol für Krebserkrankungen hat die Europäische Kommission bereits angekündigt, einen Gesetzesvorschlag zur verpflichtenden Angabe aller Inhaltsstoffe alkoholischer Getränke und gesundheitlicher Gefahren vorzulegen.
Die Behandlung von Krebserkrankungen soll verbessert werden
Alle Europäer*innen müssen gleichberechtigt Zugang zu Medikamenten und Behandlungsmethoden haben. Dazu zählt auch die Möglichkeit zur grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung und zur Teilnahme an klinischen Studien. Der Wohnsitz darf kein Faktor beim Zugang zu lebenswichtigen Behandlungsmethoden sein!
Lieferengpässe bei Medikamenten müssen gemeinsam angegangen werden. Die Europäische Union kann als Team mehr leisten als jedes einzelne Land allein. Wir Abgeordnete fordern deshalb, dass Arzneimittelknappheiten vorgebeugt wird. Außerdem müssen öffentliche Ausgaben im pharmazeutischen und medizinischen Bereich transparenter werden. Die gemeinsame Beschaffung lebenswichtiger Medikamente und Technologien gerade durch wirtschaftlich weniger starke Mitgliedstaaten muss erleichtert werden. Krebsmedikamente müssen erschwinglich sein, was regulatorische Anreize erfordert. Gerade für seltene Krebserkrankungen muss es mehr Forschung geben, denn hier ist das kommerzielle Interesse zu gering. Um Doppelarbeit – und dadurch auch Doppelfinanzierung – zu vermeiden, fordern wir mehr „open source“ Publikationen in der Krebsforschung und eine engere Zusammenarbeit.