EEA-Signale 2020: Wege zu einer schadstofffreien, sauberen Umwelt

Die „Signals“-Berichte der Europäischen Umweltagentur bestehen aus einer Sammlung kurzer Artikel, die ein komplexes Thema von verschiedenen Seiten beleuchten. Im diesjährigen Bericht geht es um Umweltverschmutzung durch Schadstoffe. Diese Zusammenfassung stellt nur ein Schlaglicht dar; es lohnt sich, den gesamten Bericht zu lesen (der allerdings nur auf Englisch vorliegt).

Die Coronapandemie – vor dem Szenario einer zoonotischen (vom Tier stammenden), sich weltweit ausbreitenden Seuche warnen Ökologinnen und Ökologen seit Jahren – hat uns vor Augen geführt, wie stark sich Umweltbelastungen auf die menschliche Gesundheit auswirken. Denn in Gebieten mit hoher Schadstoffbelastung wurden signifikant schwerere Verläufe und höhere Todesraten festgestellt. Andererseits hat sich durch die in vielen Ländern verhängten Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung die Luftverschmutzung drastisch verringert. Der Einfluss der Coronapandemie auf die Belastung der Ökosysteme wird in diesem Bericht durchgehend analysiert.

Der Bericht analysiert die Herkunft von Schadstoffen, ihre Zusammensetzung und ihre Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt. Im Rahmen des Ziels der „zero pollution“ (null Verschmutzung) hat die Europäische Kommission ein Bündel von Maßnahmen angekündigt, mit der die Freisetzung von Schadstoffen verringert werden soll. Der zugehörige Aktionsplan soll im ersten Halbjahr 2021 veröffentlicht werden. Die Kommission setzt primär auf die Umsetzung bestehender und die Entwicklung neuer Rechtsvorschriften. Es gilt auch, Kontrollmechanismen zu verbessern, neue Forschungserkenntnisse zu berücksichtigen und die Überwachung zu harmonisieren.

Untersuchte Gebiete

Die Luftqualität ist weiterhin ein kritisches Feld. Obwohl sie sich seit der Einführung von Grenzwerten und Vorbeugemaßnahmen vor einigen Jahrzehnten verbessert hat, verursachen Luftschadstoffe immer noch jedes Jahr den vorzeitigen Tod von fast einer halben Million Europäerinnen und Europäern. Feinstaub, Stickoxide und Ozon belasten aber nicht nur Menschen, sondern auch unsere Ökosysteme. In allen Bereichen – Verkehr, Energieversorgung, Industrie und Landwirtschaft – müssen fundamentale Änderungen erfolgen, damit unsere Luft wirklich sauber wird. Die gute Nachricht ist: die notwendigen Maßnahmen helfen auch bei der Verlangsamung der Klimaerwärmung und beim Naturschutz.

Sauberes Wasser ist Voraussetzung für Leben. 88 % des in Europa verwendeten Süßwassers stammen aus Flüssen und Grundwasserkörpern. Aber nur 44 % der Oberflächengewässer befinden sich in einem guten ökologischen Status. Zwar wurde die Belastung durch Nitrate und Phosphate sowie Schadstoffen gesenkt, seit mehr und mehr Kläranlagen unser Abwasser reinigen. Dennoch gelangen viele Düngerbestandteile in Bäche, Flüsse und Seen, die dadurch eutrophieren, also durch die starke Nährstoffkonzentration ökologisch verarmen. Ein weiteres Problem ist die allgegenwärtige Verschmutzung durch Plastik, das in der Umwelt in winzige Partikel zerfällt und Wasserorganismen schädigt. Sehr düster sieht es beim Zustand der Meere aus: neben der Nitrat- und Phosphat-Belastung finden sich große Mengen Schwermetalle und andere Chemikalien, teils aus aktuellen industriellen Aktivitäten, teils aus der Vergangenheit.

Ein Sorgenkind sind die europäischen Böden. Hier mangelt es zwar noch an umfassenden Daten, aber die Belastung durch Düngerückstände, Pestizide, Schwermetalle, Plastik und andere Schadstoffe ist allgegenwärtig. Für mehr als ein Drittel der hochbelasteten Böden ist schlechtes Abfallmanagement verantwortlich. Insbesondere industrielle Aktivitäten sind oft problematisch – und bei vielen Altlasten gibt es nur wenige Daten zu ihrer Zusammensetzung, ganz zu schweigen von möglichen Sanierungsmöglichkeiten. Viele Schadstoffe reichern sich in Böden an – sie akkumulieren – und vergiften nach und nach Bodenorganismen oder landen in unserem Trinkwasser.

Chemie – ein weites Feld

Synthetische Chemikalien sind in unserer Umgebung allgegenwärtig. 300 Millionen Tonnen Chemikalien wurden 2018 in der EU verwendet, davon waren 60 % als „gesundheitsschädlich“ eingestuft. Obwohl seit der Einführung des europäischen Chemikalienrechts REACH die Datenlage enorm verbessert wurde, sind längst nicht alle potentiell problematischen Eigenschaften von Chemikalien bekannt. Erst recht ist unklar, wie die Mischung der Einzelbelastungen auf Gesundheit und Ökosysteme wirkt. Große Sorge bereiten die „forever chemicals“, Substanzen, die sich in der Umwelt (und auch im menschlichen Körper) praktisch nicht abbauen und die oft gesundheitsschädigende Wirkung haben. Ebenso besorgniserregend sind „endokrine Disruptoren“, hormonähnlich wirkende Stoffe, die bereits in sehr kleinen Mengen Stoffwechselstörungen oder Krebs zur Folge haben können. Diese beiden Stoffgruppen will die Europäische Kommission laut der im Oktober veröffentlichten Chemikalienstrategie schnellstmöglich regulieren. Ein Sonderfeld der Chemikalien stellen Pestizide dar. Durch die Verwendung von Pestiziden in der Landwirtschaft sind Nahrungsmittel mit Pestiziden belastet. Die zulässigen Höchstmengen werden anhand von tierexperimentell ermittelten Schadschwellen und Sicherheitsfaktoren durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit festgelegt. Dabei wird berücksichtigt, dass bspw. Kinder empfindlicher sind als Erwachsene. Für die Ökosysteme sind Pestizide jedoch eine schwere Belastung.

Industrielle Emissionen

Die Industrie in Europa trägt wesentlich zu unserem Wohlstand bei, ist aber auch für mehr als die Hälfte der wichtigsten Luftschadstoffe verantwortlich; selbst wenn in den letzten 20 Jahren die Emissionen von Schwefeldioxid und Stickoxiden erheblich zurückgegangen sind. Den aktuellen Stand kann jede*r im European Pollutant Release and Transfer Register E-PRTR nachlesen. Aus diesem Register wird auch deutlich, dass der Großteil der Schadstoffbelastung aus nur wenigen Standorten kommt. Wenn alle Betriebe auf die modernsten Technologien umgestellt würden, entstünden nur noch 10 % der heutigen Mengen Schwefeldioxid und 20 % der heutigen Mengen Feinstaub und Stickoxide. Im Rahmen des European Green Deal soll die fossile Strom- und Wärmeerzeugung zugunsten Erneuerbarer Energien beendet werden und die industrielle Produktion in eine Kreislaufwirtschaft umgewandelt werden. Auch das wird die Schadstoffbelastung verringern.

Lärm

Bei Umweltverschmutzung denken viele nicht an die am weitesten verbreitete Belastung: Lärm. Mehr als 20 % der Europäer*innen sind Lärmpegeln ausgesetzt, die gesundheitsschädigend wirken. Da die überwiegende Ursache Straßenverkehr ist, verwundert es nicht, dass in Städten sogar mehr als 50 % der Menschen betroffen sind. Schlafstörungen sind eine häufige Folge, aber auch Herzinfarkte können auf Lärmbelastung zurückgeführt werden. Abhilfe können Geschwindigkeitsbeschränkungen, verkehrsberuhigte Zonen, bessere Bedingungen für Rad- und Fußverkehr, aber auch technische Maßnahmen wie „Flüsterasphalt“ schaffen.

Auch die Tierwelt leidet. Auf akustische Signale angewiesene Tiere wie Singvögel werden durch Lärm gestört, was geringere Bruterfolge bedeutet. Scheue Tiere müssen sich in entlegene Gegenden zurückziehen – wenn diese nicht durch Fluglärm belastet sind.

Die Zukunft der Datenerhebung

Citizen Science – Bürgerwissenschaft –  stellt eine wichtige Unterstützung staatlicher Messprogramme dar. Ob durch die Zählung von Schmetterlingen oder durch die Luftschadstoffmessung mit einfachen Sensoren – jede*r kann dazu beitragen, ein umfassenderes Bild zum Zustand unserer Umwelt zu bekommen.

Drohnen können schwer zugängliche Stellen wie die Abgasfahnen von Schiffen beproben, Vegetationsänderungen durch Luftbilder von Landschaften ermitteln oder den Kronenzustand im Wald untersuchen.

Satelliten wie das EU-Programm Copernicus liefern eine beispiellose Menge von Informationen über die Zusammensetzung der Atmosphäre, Veränderungen der Landbedeckung, Klimadaten und vieles mehr. Die Copernicus-Daten sind der Öffentlichkeit frei zugänglich und können von allen Forscherinnen und Forschern verwendet werden.

Digitalisierung ermöglicht die Zusammenführung der Einzeldaten; mittels Künstlicher Intelligenz können Vorhersagen über Umweltveränderungen aufgrund von Schadstoffbelastung oder Veränderungen in der Lärmbelastung durch städteplanerische Maßnahmen getroffen werden.

Foto: Von Nanco Hoogstad – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=51887381