34. Jahrestag der Katastrophe von Tschernobyl

Die Wunde brennt noch immer.

Vor 34 Jahren kam es in Tschernobyl zu einem Unfall der höchsten Stufe, durch den unmittelbar oder an dessen Folgen tausende Menschen starben, an Krebs erkrankten oder ihre Heimat verloren. Große Gebiete in der heutigen Ukraine wurden auf lange Zeit radioaktiv verseucht.

Dies war auch der Moment, der mich geprägt und politisiert hat. CSU-Innenminister Friedrich Zimmermann erklärte im Fernsehen, dass es keine Gefahr gebe. Mein damaliger Freund, ein Physiker, zeigte mir Faxe aus Schweden, die die große Belastung belegten.

Die Hilflosigkeit, aber auch die Unverfrorenheit, mit der die damalige Bundesregierung agierte, machten mich fassungslos und wütend zugleich, und ich begann, mich zu engagieren. Die Themen Umwelt und Energie begleiten mich seitdem. Wenige Jahre darauf saß ich im Stadtparlament von Marburg.

Tschernobyl wirkt noch immer nach.

34 Jahre später sind Pilze und Wildschweine in Süddeutschland immer noch mit Cäsium 137 belastet, wenn auch nicht mehr so hoch: Cs 137 hat eine Halbwertszeit von 30 Jahren, die Hälfte der Atome ist also zerfallen, in 26 Jahren wird ein weiteres Viertel zerfallen sein. Bis zum Verschwinden der radioaktiven Nuklide werden noch rund 250 Jahre vergehen.

Ausgerechnet zum Jahrestag brennt es rund um Tschernobyl. Seit drei Wochen kämpft der ukrainische Katastrophenschutz gegen die Flammen. Im Boden befinden sich noch immer radioaktive Stoffe -– Cäsium 137, Plutonium 239 und Strontium 90 – welche durch die Feuer in der Luft verteilt werden. Die nächste Wolke kommt vielleicht oder auch nicht, sofern wir Glück haben.

“Wer nochmal davongekommen ist, mag sich nicht dauernd dran erinnern lassen, dass andere weniger Glück hatten. Dass sie auf Hilfe angewiesen sind. Und ein Recht auf Hilfe haben!” schrieb die kürzlich verstorbene Gudrun Pausewang in ihrem Buch „Die Wolke“, in dem sich ein Supergau in einem fiktiven Atomkraftwerk in Bayern ereignet. Und es stimmt. Trotz der Katastrophen von Tschernobyl oder Fukushima denken Teile der CDU bereits über eine Renaissance der Nuklearkraft in Deutschland nach und AKWs werden von der Atomlobby als sicheres „Allheilmittel“ gegen den Klimawandel in den Himmel gelobt.

Sicher ist aber nur das Risiko – Atomkraft, nein danke!

Ob Tschernobyl oder Fukushima, die Geschichte hat uns traurigerweise schon mehrfach gelehrt, was es bedeutet, wenn schlagartig ganze Gebiete unbewohnbar werden und Menschen ihre alteingesessene Heimat verlieren. Ja, wir müssen unsere Kohlekraftwerke abschalten und ja, wir müssen so schnell wie möglich CO2 neutral werden, doch ohne AKW geht das schneller, billiger und besser, wie der World Nuclear Industry Report (WNISR) 2019 von Mycle Schneider zeigt. Erneuerbare und Energieeffizienzmaßnahmen sind wesentlich günstiger und viel effektiver als der Bau neuer Atomkraftwerke. Teils trifft dies sogar für den Weiterbetrieb bestehender Kraftwerke zu, da Wartungs- und Reparaturarbeiten die Jahresleistung verringern und die Auslastung damit oft nicht kostendeckend ist.

Im WNISR 2019 wird ein „nicht deklarierter organischer weltweiter Atomausstieg“ aufgezeigt: die Zahl der im Bau befindlichen Reaktoren reicht nicht einmal aus, um die in den nächsten Jahren vom Netz gehenden Meiler zu ersetzen. Besorgniserregenderweise beträgt das Durchschnittsalter der Atomkraftwerke liegt mittlerweile bei über 30 Jahren, entsprechend veraltet sind Technik und Sicherheitsmaßstäbe, die durch die massive radioaktive Strahlung angegriffenen Materialien verspröden. Ich wünsche mir, dass Prof. Lesch nicht recht behalten wird: „Nach Fehlbedienung (Tschernobyl) und Naturkatastrophe (Fukushima) steht zu befürchten, dass der nächste Nuklearunfall auf Materialermüdung zurückzuführen sein wird.“

Aber EU-Mitgliedstaaten wie Tschechien oder auch Nachbarstaaten wie Weißrussland (Zitat Präsident Lukaschenko: „Ich baue das billigste AKW der Welt“), wollen noch immer ihre Schrottreaktoren (aus)bauen. Jedes AKW in Europa sollte einer grenzüberschreitenden Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden, in der Sicherheitskonzept und Auswirkungen auf die Umwelt von unabhängigen Experten überprüft werden. Und für hochradioaktiven Atommüll gibt es weltweit immer noch kein Endlager.

Am besten wäre es, Atomkraft endlich in den Sarkophag der Geschichte zu legen.

Atomkraft, nein danke!