Europäischer Grüner Deal
ARTIKEL, Montag, 20. Januar 2020 – Brüssel
Europäischer Grüner Deal
Europäisches Parlament setzt Maßstäbe für die grüne Wende
Am 15. Januar 2020 hat eine große Mehrheit des Europäischen Parlaments die von den Grünen/EFA initiierte Resolution zum Grünen Deal angenommen.
Den Originaltext der Resolution ist auch online verfügbar: http://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2020-0005_DE.html
Weitere Infos zur Resolution zum Grünen Deal gibt Jutta Paulus, Grünen/EFA-Mitglied im folgenden Artikel:
Wir Abgeordnete fordert in der Resolution, dass der Europäische Grüne Deal nicht nur auf Wachstum zielt, sondern auch die Planetaren Grenzen berücksichtigt. „Der Grüne Deal soll der Kern der neuen europäischen Strategie für ökologisch nachhaltiges Wachstum innerhalb der Planetaren Grenzen der Erde sein und dabei ökonomische Möglichkeiten schaffen, Investitionen voranbringen und hochqualifizierte Arbeitsplätze schaffen“.
Zentrale Forderungen des Europäischen Parlaments zum Europäischen Grünen Deal:
- Reform der Europäischen Agrarpolitik überprüfen und an eine starke europäische Biodiversitätsstrategie koppeln
- Zahlungen aus dem Fonds für eine gerechte Wende („Just Transition Fund“) an verbindliche Zeitpläne für den Kohleausstieg koppeln
- EU-Haushalt, Finanzierungen der Europäischen Investitionsbank und öffentliche Investitionen an die Pariser Klimaziele binden
- Verbindliche EU-Klimaziele bis 2030 bis zur Klimakonferenz COP26 im November 2020 in Glasgow festlegen
Aber auch in vielen anderen Bereichen gibt es positive Entwicklungen durch den Grünen Deal:
- Die Folgenabschätzung für neue Gesetze muss die Klimanotlage berücksichtigen und alle Vorhaben auf Vereinbarkeit mit dem 1,5 °C-Ziel und Auswirkungen auf die Biodiversität prüfen. Auch die Kosten eines Nichthandelns müssen ermittelt werden.
- Gender Mainstreaming unter Berücksichtigung geschlechterspezifischer Aspekte
- Das Klimaschutzgesetz soll ein Emissionsminderungsziel von 55 % bis 2030 enthalten und neben der Klimaneutralität für 2050 auch ein verbindliches Ziel für 2040 festschreiben. Alle einzelnen Mitgliedsstaaten müssen spätestens bis 2050 Klimaneutralität erreichen.
- Der EU-Emissionshandel (ETS) muss weitreichend überarbeitet werden. Die kostenfreie Zuteilung von Verschmutzungsrechten (Free allocation rules, FAR) muss verändert werden, der lineare Reduktionsfaktor (LRF) für Zertifikate erhöht werden (bisher 1,74 % pro Jahr) und ein CO2-Mindestpreis eingeführt werden.
- Die Gefahr der Auslagerung von CO2- intensiven Industrien in Drittstaaten (carbon leakage) soll mit einem so genannten carbon border adjustment mechanism vermindert werden. Dieser Mechanismus soll die existierenden carbon leakage measures ersetzen. Damit sollen CO2-intensive Importe aus Staaten ohne Emissionshandel CO2-Steuerbepreist werden.
Energie
- Die Erneuerbare-Energien-Richtlinie (2009/28/EG) und die Energie-Effizienz-Richtlinie (2012/27/EU) sollen überarbeitet und die Ziele erhöht werden.
- Direkte und indirekte-Subventionen für fossile Energieträger sollen in der EU und in allen Mitgliedsstaaten ab 2020 endlich gestrichen werden. Dabei sollen Haushalte mit geringem Einkommen unterstützt werden. Der Gebäudesektor soll vorerst nicht in den Emissionshandel einbezogen werden.
- Der komplette Gebäudebestand muss bis 2050 energetisch modernisiert werden, um Klimaneutralität zu erreichen
- Gas soll allenfalls als Übergangstechnologie und nur in dem Rahmen genutzt werden, der die Kompatibilität mit dem 1,5 °C Ziel sicher stellt.
Industrie
- Die Wirtschaft soll auf geschlossene Kreisläufe und Klimaneutralität umgebaut werden. Dazu gehört auch eine „Non-toxic environment strategy“, damit die Umwelt nicht weiter mit Schadstoffen belastet wird. Diese soll zeitnah erarbeitet werden.
- Keine Förderung von Forschung für Geoengineering
- Digitalisierung als Chance für den ökologischen Umbau voran treiben, wobei wir Grüne jedoch klare Reduktionsziele für den Stromverbrauch des IT-Sektors fordern
- Ökodesign, Recht auf Reparatur, Verbot von geplanter Obsoleszenz, Verbraucherschutz und Information sollen vorangebracht werden
Transport
- Kostenlose CO2-Zertifikate für die Luftfahrt sollen komplett abgebaut statt nur reduziert werden
- Die Emissionsrichtlinien für Kraftfahrzeuge sollen angepasst werden, damit einzelne Mitgliedsstaaten Verbrennungsmotoren verbieten können, wenn sie das möchten.
- Straßenverkehr soll nicht mit in den Emissionshandel einbezogen werden
- Seeschiffsverkehr hingegen soll Emissionszertifikate kaufen müssen
- Steuererleichterungen für die Luft- und Seefahrt sollen abgebaut werden.
Landwirtschaft
- Die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik muss mit dem Europäischen Grünen Deal kompatibel sein
- Wir fordern bindende Reduktionsziele für Pestizide
- Die Überfischung muss eingedämmt werden, um die Fischbestände wiederherzustellen und Aquakulturen müssen reguliert werden
- Es soll ein Rahmen für Tierschutz erarbeitet werden, in dem Tierschutzstandards erhöht und Möglichkeiten zur Ahndung von Verstößen geschaffen werden
- 30% der Meeresflächen der EU sollen geschützt werden. Neue bindende Ziele für Schutzgebiete an Land sollen im Rahmen der COP15-Resolution erarbeitet werden.
Finanzen / Fonds für den gerechten Übergang
- Die geplanten 260 Mrd. € für den Fonds reichen nicht aus
- Gerechte Unterstützung: Zusätzliche finanzielle Ressourcen sollen für betroffene Arbeitskräfte und Regionen zur Verfügung stehen, abhängig von konkreten und bindenden Dekarbonisierungsplänen und vor allem für den Kohleausstieg.
EU als internationales Vorbild
- Freihandelsabkommen müssen bindende und einklagbare Kapitel zur ökologisch-nachhaltigen Entwicklung enthalten
- Müllexporte sollen verboten werden
- Es muss mehr Unterstützung für Länder geben, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind
Ich hörte, dass damit die EU sich eindeutig von der Atomkraftwerk zur Erreichung der Klimaziele verabschiedet haben soll. Das finde ich aber nicht in der oben zitierten Resolution. Gibt es weitere Dokumente zu diesem Thema?
Leider stimmt das nicht. Energiepolitik ist Sache der Mitgliedsstaaten, die im Rahmen der europäischen Gesetze selbst über ihren Energiemix entscheiden können. Allerdings wurde beschlossen, dass Investitionen in Atomenergie nicht als „nachhaltige Investitionen“ bezeichnet werden dürfen (siehe Beitrag zur Taxonomie: https://www.jutta-paulus.de/taxonomy-klassifikationssystem-fuer-nachhaltigkeit). Und gefördert wird die Atomenergie seit langem nicht mehr mit EU-Geld.